« Die textilen Naturwunder der Alpen »
Manche Stoffe verbinden wir beinahe automatisch mit bestimmten Regionen dieser Welt, wir geben ihnen sozusagen ein kollektives geistiges Zuhause. Filz und Loden sind solche Textilien. Sie lassen vor dem geistigen Auge Bilder von Bergen, Wiesen und Ursprünglichkeit entstehen und verkörpern die Lebenskultur der Alpen, wie die Seide den Orient.
Ein Stück Menschheitsgeschichte
Dass Materialien wie Filz und Loden uns berühren, mag vielleicht daran liegen, dass sie schon sehr lange Zeit ein Bestandteil der menschlichen Kulturgeschichte sind. Möglicherweise umgeben wir uns aber auch deswegen gerne damit, weil es sich um Wollstoffe handelt, die aus reiner Naturfaser bestehen. Und dass sich Natur am Körper völlig anders verhält, als Stoffe aus Kunstfaser, wird spätestens dann spürbar, wenn man die Textilien direkt am Körper trägt. Die Herstellung und Nutzung von Wollstoffen hat lange Tradition. Bereits seit dem Mittelalter verarbeiten die Menschen Vlies zu Walkstoffen und nutzen die herausragenden Eigenschaften dieses Rohstoffes, der durch seine Faserstruktur einige Besonderheiten zu bieten hat.
Alleskönner Wolle
Obwohl die Textilindustrie heute unzählige Möglichkeiten hat, um aus Baumwolle und Kunstfaser widerstandsfähige und durchaus hochwertige Stoffe zu produzieren, besitzt Tierwolle immer noch große wirtschaftliche Bedeutung. Der nachwachsende Rohstoff kann vielseitig eingesetzt werden und sowohl zu einem zarten Kleidungsstück, als auch zum strapazierfähigen Janker, einem langlebigen Möbelbezug oder einem stabilen Rucksack verarbeitet werden. Das Geheimnis dieses universell nutzbaren Materials liegt in seiner Struktur: Die Wollfasern sind elastisch, im Inneren hohl und weisen eine dachziegelartige Oberflächenstruktur auf. Raut man die schuppige Außenseite durch mechanische Bearbeitung auf, können sich die einzelnen Fasern zu einem untrennbaren Stoffgefüge verkeilen, das stabil aber dennoch leicht und atmungsaktiv ist. Das Eigenschaften-Portfolio von Wolle liest sich wie eine Liste an komplementären Superkräften: Durch den hohlen Faserkern hat Tierhaar hervorragende Wärmeeigenschaften, wirkt aber auch isolierend gegen Hitze und Kälte. Die Oberfläche der Naturfaser ist wasserabweisend, trotzdem kann die Wolle bis zu einem Drittel ihres Trockengewichts an Flüssigkeit aufnehmen, ohne sich dabei nass anzufühlen. Nach und nach gibt der Rohstoff die Feuchtigkeit wieder nach außen ab und neutralisiert dabei sogar Gerüche wie zum Beispiel Schweiß. Selbst bei direkter Feuereinwirkung würde Wolle nicht verbrennen, sondern nur verkohlen und ist aufgrund ihrer geringen Materialdichte leicht wie eine Feder. Kein Wunder also, dass dieser Rohstoff eine Jahrtausende währende Verwendungstradition hat und bis heute zu Filz und Loden, den Parade-Textilien der Alpen verarbeitet wird.
Der feine Unterschied
Filz und Loden werden zwar aus demselben Rohstoff hergestellt, sind aber zwei völlig unterschiedlich gefertigte Produkte. Für die Gewinnung von Loden wird die Rohwolle zuerst zu einem Garn gesponnen, dann zum Stoff gewebt und anschließend gewalkt. Dadurch wird die sichtbare Gewebestruktur ebenmäßig und bekommt eine ähnliche Optik wir Filz. Klassischer Filz hingegen ist kein gewebter Stoff. Er entsteht direkt aus dem Vlies, den rohen Wollfasern und wird ohne Zwischenschritte verarbeitet. Mit Wasser, Seife, Druck und Bewegung verdichtet man die Fasern beim sogenannten Pilling mechanisch miteinander, bis eine gleichmäßige Filzschicht entsteht. Im Gegensatz zum Loden kann man natürlichen Wollfilz zentimeterdick ausarbeiten und dann in Form schneiden. Er eignet sich daher ideal für Filz-Pantoffeln, Sitzauflagen und ähnliches. Ein wenig anders verhält es sich bei Nadelfilz, bei dem die Fasern trocken miteinander verwoben werden. Durch tausendfache Einstiche von widerhakenbesetzten Nadeln findet hier ebenfalls eine mechanische Verdichtung der Filzwolle statt, allerdings weist die Oberfläche von Nadelfilz eine sichtbar technische Struktur auf, die sich deutlich vom organisch verwobenen Wollfilz unterscheidet. Mit dieser Methode können auch synthetische Fasern zu Filz verarbeitet werden, doch die Qualität des industriell erzeugten Nadelfilzes reicht bei weitem nicht an echten Wollfilz heran.
Guter Stoff aus den Alpen
Sich in Filz und Loden zu kleiden hat in den Bergen lange Tradition. Bedenkt man all die praktischen Vorteile dieser Wollmaterialien, steht es außer Frage, warum sie vor allem in klimatisch unwirtlichen Regionen seit Jahrhunderten zu Jacke, Röcken, Hose, Decken und Tüchern verarbeitet werden. Heute erfüllen die Alpentextilien aber auch noch andere Zwecke, denn Tracht ist wieder en vogue und die samtweichen, hochwertigen Stoffe repräsentierten die Alpen und das Bergland wie kaum ein anderes Material. Zudem können sie ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit erzeugen, das nicht nur auf ihre tatsächlichen thermischen Eigenschaften zurück zu führen ist. Wer barfuß schon einmal in ein Paar Filzpantoffeln geschlüpft ist, kennt das angenehme Gefühl von Natur auf bloßer Haut und weiß, wie außergewöhnlich sich die Struktur von Filz im direkten Kontakt anfühlt. Es ist diese einzigartige Mischung aus einer rauen und zugleich zartweichen Oberfläche, die sich dem Fuß anpasst und an eine entspannende Berührung erinnert. Auch Wohnräume profitieren von Filz Accessoires und Wollstoffen. Die schalldämpfende Wirkung solcher Textilien schafft ein behagliches Raumgefühl und nimmt auch einer puristischen Einrichtung die Sterilität. Ein Zeitungskorb aus Filz kann zur modernen Glattledercouch einen spannenden Materialkontrast erzeugen und die schimmernd gedeckte Tafel erhält durch einem Weinkühler aus Filz und Platzdecken aus demselben Material einen Hauch alpinen Chics.
Die Produktion der Haunold Filzpantoffel erfolgt mit alten Hammerwalken. Es ist nach wie vor noch viel traditonelles Arbeiten mit Hand zur Herstellung der Filzschuhe notwendig. Das Besondere an den Filz Hausschuhen ist die Produktion ausschließlich mit Wasser und Seife. Chemische Stoffe werden nicht verwendet! Ausserdem sind die Wollfilzpantoffel aus einem Stück gefertigt. Das macht sie wohlig angenehm zum Tragen.
Die Königsklasse der Naturfasern
Lodenstoff ist durch seine Strapazierfähigkeit prädestiniert für die Herstellung von Loden-Taschen, Rucksäcken, Kleidung oder auch Möbel- und Polsterbezügen. Das Grundmaterial, die Schafwolle, bietet alle Eigenschaften, die ein unkompliziertes Material erfüllen soll, von schmutzabweisend über formstabil bis hin zu schwer entflammbar. Wenn es aber einmal ein bisschen spezieller sein soll, kann man Loden mit der Beimischung oder alleinigen Verwendung anderer Wollarten zu einem wunderbar edlen Material machen. Das Schaf ist in diesem Fall nicht das einzige Tier, dessen Haarkleid bei der Herstellung von Wollstoffen zur Anwendung kommt.
So werden für hochwertigere Lodengewebe etwa Alpaka- oder Merinowollen dem Schafshaar beigefügt. Sie sind im Gegensatz zum Vlies des Bergschafs leichter und elastischer. Alpakafasern sind zudem dreimal so reißfest und erstrahlen nach dem Einfärben in brillanten Farben. Die wirklichen Perlen unter den Wollfasern sind jedoch die sogenannten Edelhaare, die man aus der Schur von Kaschmirziegen und Angorakaninchen gewinnt. Angora gilt als die leichteste Naturfaser überhaupt und ist geschmeidiger als Seide. Kleidungsstücke aus dieser Wollsorte sind wunderbar weich, kühlen bei Hitze und wärmen bei Kälte, sogar wenn sie zu hauchzartem Stoff gewebt wurden. Lodenprodukte, die aus Kaschmir hergestellt sind, eignen sich aufgrund ihrer Langlebigkeit ideal für Heimtextilien und verschönern jedes Zuhause mit natürlicher Eleganz.
Wer Stoffe liebt, und sich auch in seinen eigenen vier Wänden gerne mit Natur umgibt, wird an Wollprodukten vom Schaf und anderen Haarlieferanten nicht vorbeikommen. Und auch wenn sie vornehmlich dem alpinen Kulturkreis zugeordnet werden, können Loden und Wollfilz als Sinnbild für Gemütlichkeit auf der ganzen Welt Zuhause sein.