« Das Lied von Eis(en) und Feuer »
Es zischt und dampft, das donnernde Geräusch der Hammerschläge geht durch Mark und Bein. Wenn in der Schmiede von Alfons Steidl aus Eisen Kunst wird, dann geschieht das lautstark. Eine Symphonie elementarer Urgewalten mischt sich mit dem Klang menschlicher Kraft und begleitet den Werdegang jedes Werkstücks vom Anfang bis zum Ende.
Wo Kunsthandwerk zu Hause ist
Die kleine Gemeinde Innervillgraten in Osttirol ist ein beschauliches 1000-Seelen Dorf, eingebettet in Gebirgszüge, Wälder und Wiesen. Die Grenze zu Südtirol ist nah, die Freude an der Natur, der Sinn für Schönes und der Hang zur Tradition sind jedoch grenzübergreifend. Ein altes Haus mit schwerer Lärchenvertäfelung und kunstvoll geschnitzten Fensterrahmen zeugt von eben diesen Werten. Es liegt nahe am Wasser, ein Wildbach fließt rauschend daran vorbei und fast scheint es, als wäre die Zeit stehengeblieben, denn das betagte Gebäude steht bereits seit mehreren hundert Jahren an dieser Stelle. Viel Wasser hat der kleine Einatbach seither vorbeigetragen und schon damals waren vermutlich die dröhnenden Laute zu hören, das rhythmische Schlagen, wenn Stahl auf Stahl trifft und Eisen unter dem Hammer Form annimmt. Das Schmiedehandwerk hat lange Tradition in Innervillgraten. Bereits seit 1667 sind Werkstätten in dem kleinen Ort nachweisbar. Die Schmiede Steidl hat bis heute überdauert.
Eine Familie mit glühender Leidenschaft
Der Name Steidl steht für Feuer und Amboss, so wie Sacher für Schokoladentorte und Sahne. Rund 220 Jahre ist es her, dass ein Schmied aus dieser Familie in Innervillgraten eine Werkstatt kaufte, in einem Haus – Sie werden es erraten – das direkt an einem kleinen Wildbach liegt. Für einen Dorfschmied gab es in den Jahren um 1807 freilich reichlich zu tun. Pferde und Wägen mussten beschlagen, Werkzeug hergestellt und Schlösser und Beschläge angefertigt werden. Zahlreiche Reparaturen hielten das Geschäft ebenso am Laufen, wie regelmäßige Aufträge der Bauern ringsum. Zwei Jahrhunderte später ist die Situation überraschenderweise gar nicht so anders, wie man annehmen würde. Alfons Steidl sieht sich auch heute noch als Dorfschmied und damit ebenso wie sein Urahn zuständig für Ausbesserungen, Reparaturen und praktische Aufträge aller Art. Sein zweites Standbein ist die Kunst. Gemeinsam mit seinem Bruder entwirft, plant und schmiedet der Osttiroler handgemachte Einzelstücke. Kunstwerke für Innen und Außen, aus denen die Liebe zum Handwerk und der Sinn für Ästhetik sprechen.
Die Schmiede – ein Schmuckstück für sich
Die Affinität zu Design und Gestaltung der beiden Brüder zeigt sich nicht nur in ihren Werkstücken, sondern auch an ihrem Arbeitsplatz. Die Jahrhunderte alte Schmiede im Erdgeschoss des Wohnhauses ist heute nicht mehr länger als Werkstatt, sondern als Schauraum in Verwendung. Kein Ort könnte für die Präsentation der grauschwarz bis silbern schimmernde Lampen, Kerzenleuchter, Möbel und Wohnaccessoires authentischer sein als die alte Schmiede mit ihren rußgeschwärzten Steinmauern und der 400 Jahre alten Esse in der Mitte. Man sieht und riecht, dass seit vielen Generationen unter diesem Dach gearbeitet wurde und man kann es immer noch hören. Denn gleich anschließend an den geschmackvoll eingerichteten Schauraum grenzt die neue Werkstatt der Schmiede Steidl. In hochmodernem Ambiente schmieden die Brüder hier ihre Einzelstücke und Sonderanfertigungen, natürlich auch mithilfe von Maschinen.
Der Neubau ist mit dem Altbestand der Gebäude verbunden, sowohl räumlich, als auch ästhetisch. Das asymmetrisch gestaltete Werkshaus besitzt eine Außenhaut aus dunkler Teerpappe, die bereits optisch das Handwerk ankündigt, das im Inneren ausgeführt wird. Durch die Verbindung von modernen Materialien, großen Glasfenstern, dem dunklen Lärchenholz der Hausfassade und den steinernen Grundmauern wirkt das Gesamtbild der Anlage wie das Beste aus zwei Welten. Die Schmiede Steidl in Innervillgraten hat sich damit selbst zu einem Schmuckstück gemacht und verkörpert das ideale Zusammenspiel von Alt und Neu.
Wenn man für eine Sache brennt
… dann kann man diese Begeisterung auch in seinem Gegenüber entfachen. Wer Alfons Steidl über seinen Beruf sprechen hört, fängt selbst Feuer für das Schmieden, diese uralte Kunst, die heute nur mehr wenige beherrschen. 1980 hat er die Werkstatt vom Vater übernommen und sie zusammen mit seinem Bruder Toni zu einem Ausnahmebetrieb für Kunsthandwerk gemacht. Nichts scheint unmöglich für das Brüderpaar, kein Auftrag zu schwer, kein Wunsch zu extravagant. Nur mit industrieller Gleichförmigkeit kann und will man in der Schmiede Steidl nicht dienen. Einem handgemachten Werkstück muss man die Hand auch ansehen, so der Tenor der beiden Meister. Aus diesem Grund tragen die Möbel und Accessoires im Schauraum eine raue Schönheit nach außen. Perfektion ist allgegenwärtig, aber austauschbare Uniformität sucht man bei den Kunstgegenständen vergebens. Nichts wird kaschiert oder versteckt, die Objekte sind schnörkellos und unverstellt. Ecken, Kanten und raue Oberflächen prägen das unverwechselbare Design aus dem Hause Steidl und interpretieren mit ihrer puren Ästhetik die Formensprache der Alpen gekonnt.
Made in Innervillgraten – Alpine Qualität aus Österreich
Die eiserne Kunst, die in dem kleinen Alpendorf in Österreich gefertigt wird, verdient eine große Bühne. Natürlich passen die wunderschönen Beschläge, Schlösser, Wohnaccessoires, Stühle und Tische hervorragend in ein Landhaus-Ambiente, wie es vielfach in der Gegend zu finden ist. Materialien wie Stahl, Eisen und Schwarzblech sind in der Lebenswelt der Alpen schon seit langer Zeit ein fixer Bestandteil. Doch auch moderne Gestaltungselemente, elegante Treppengeländer, großflächige Wandverkleidungen und puristische Einrichtungsgegenstände, die den begehrten Industrial Chic in Reinform verkörpern, stammen aus dem kleinen Grenzort zu Südtirol. Geschaffen mit alten Techniken, veredelt durch neue Ansätze, gemacht für Liebhaber des gediegenen, zeitlosen Wohnstils auf der ganzen Welt. Auch mit dem Charme vergangener Zeiten können die Werkstücke punkten, denn die Spezialität der Meister aus Osttirol liegt in der Restaurierung und Nachbildung uralter Eisenbeschläge, Schlösser, Wandhaken und ähnlichem. Alte Gutshäuser, Schlösser und andere Traditionsbauten können durch diese seltene Dienstleistung ihrem Stil entsprechend renoviert und erhalten werden.
Tradition als Erbe
Auch wenn das Schmieden von Hand ein aussterbender Beruf ist, sind die Brüder Steidl überzeugt, dass die Tradition aktiv gelebt, bewahrt und vererbt werden muss. Gemeinsam mit sechs anderen Betrieben im Osttiroler Villgratental, die sich dem Urtümlichen ihrer Region verschrieben haben, sind so die „kraftwerkevillgraten“ entstanden. Diese Initiative fördert die Erhaltung wertvoller Traditionen und Kulturgüter und hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese behutsam weiterzugeben und für die Bevölkerung zu öffnen. Verschiedene Gewerbe sind in diesem Zusammenschluss vertreten, vom Besen- und Bürstenmacher, über ein Haubenlokal bis hin zum Bekleidungshersteller und eben auch der Schmiede Steidl. Sie alle verbindet die Liebe zu ihrer Heimat und das Vertrauen in die eigene Region als kraftvolle Ressource, die in all ihrer Vielfalt erhalten werden soll.