« Kugelige Käsesensation aus der Schweiz »
Es mag wie ein abgedroschener Postkarten-Spruch klingen, aber die besten Geschichten schreibt eben immer noch das Leben. Denn wer würde schon vermuten, dass in einer kleinen, im Keller vergessenen Frischkäsekugel kulinarisches Starpotenzial schlummert, das die ganze Feinkostbranche in Begeisterung versetzen kann?
Auch beim Essen gibt es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick
Einige alpine Delikatessen machen ja schon beim Anschauen Lust, sie zu kosten und wecken mit schönen Farben, hübschen Formen und köstlicher Konsistenz unseren Appetit. Die Belper Knolle gehört nicht unbedingt zu diesen optischen Verführern. Unscheinbar liegt die kaum tennisballgroße Kugel in ihrer Schale, der graue Pfeffermantel kaschiert die unregelmäßige Form nur wenig. Dass diese steinharte, knödelförmige Knolle heute zum Besten zählt, was die Schweizer Käsekultur zu bieten hat, überraschte anfangs vor allem die Erfinder. Völlig uneitel und offen verweisen Peter und Mike Glauser auch heute noch auf die Tatsache, dass die Entdeckung der kleinen Wunderkugel purer Zufall war. Ungeachtet dessen ist die Belper Knolle ein Hauptgewinn für den Feinkostmarkt. Mit ihrem erdigen Aroma, ausgewogener Knoblauchwürze und einer pfeffrigen Schärfe macht sie selbst aus unkomplizierten Gerichten raffinierte Kreationen, und findet Anwendung in den nobelsten Gastronomiebetrieben.
Der Jackpot-Fehler
Es war ein ganz normaler Tag, als der Käsermeister Peter Glauser aus Belp in seinen Reifekeller ging, um Ware für den Laden zu holen. Auf einem Regal stachen ihm plötzlich ein paar unförmige Kugeln ins Auge, die er zuerst für kleine Kartoffeln hielt. Bei genauerem Hinsehen stellte sich jedoch heraus, dass es sich um vergessenen Frischkäse handelte, den Glauser regelmäßig für seinen „Chäs Laden“ produzierte, und der durch die einsamen Wochen im Keller auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe geschrumpft war. Zudem hatten die Kugeln eine brüchige, harte Konsistenz angenommen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Frischkäse gemein hatte. Glauser, der Neugier immer als wichtige Voraussetzung für sein Handwerk angesehen hatte, schnitt kurzerhand ein Stück der trockenen Knolle ab und kostete. Durchaus angetan von dem Geschmack holte er seinen Neffen Mike Glauser hinzu und ließ ihn ebenfalls probieren. Auch der junge Käser zeigte sich begeistert von dem, was da unbemerkt im hauseigenen Keller herangereift war. So beschlossen die beiden, die Chance zu nutzen, die ihnen der Zufall sprichwörtlich vor die Nase gelegt hatte und ließen den Frischkäse von nun an bewusst reifen. Die Dauer der Reifung und die Veredelung mit gemahlenem Pfeffer erforderte ein wenig Tüftelei und auch der ausgewogene Einsatz von Knoblauch und Himalaya Salz wurde erst nach und nach von den beiden Käsemeistern ausgearbeitet. Am Grundrezept der Masse mussten sie jedoch kaum etwas verändern, um dem Schweizer Käse mit der Belper Knolle ein kulinarisches Denkmal zu setzen.
Kleine Knolle mit großem Namen
Der glückliche Tag, an dem Peter Glauser über seine eigene Vergesslichkeit stolperte, markierte die Geburtsstunde einer Käsespezialität, die heute auch als „Schweizer Trüffel“ bekannt ist. Dieser Beiname ist einerseits dem außergewöhnlichen Geschmack der Belper Knolle geschuldet, hat aber auch mit ihrer besonderen Verwendung zu tun. Im Gegensatz zu den meisten anderen schweizer Bergkäse Sorten, wird dieser Käse nämlich nicht stückweise gegessen oder gar aufs Brot gelegt. Ähnlich wie ein Gewürz, findet er in abgehobelten Kleinstmengen seinen Weg in Speisen und bekrönt in Form von hauchzarten Scheibchen edle Gourmetgerichte. Dass man entsprechend lang mit einem Stück auskommt, wenn man es auf diese Art verwendet, versöhnt mit der Tatsache, dass die kleine Knolle nicht zu den günstigen Lebensmitteln zählt. Wer jedoch bereit ist, einen niedrigen zweistelligen Eurobetrag für den pfeffrigen Ball auszugeben, bekommt auch etwas für sein Geld. Denn bei der Herstellung dieser einzigartigen Spezialität wird neben der Qualität der Zutaten auch besonders auf das Tierwohl geachtet. Die Milch für ihre Knollen beziehen Peter und Mike Glauser ausschließlich von Jürg Wyss, einem Bauern aus der Belper Nachbarschaft und mittlerweile Geschäftspartner der kreativen Köpfe. Am Hof von Wyss gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Kühen, die im Gegensatz zu den Tieren in Großbetrieben noch Namen statt Nummern haben. Die Menge an Milch, die diese „Damen“ geben, wird verarbeitet, mehr nicht. Zum Glück für Genießer und Gourmets bleiben die Macher ihrem nachhaltigen Prinzip trotz internationaler Nachfrage treu und stellen die Knolle bis heute immer noch bei „Chäs Glauser“ in Belp in der Schweiz her.
Wenn aus Freundschaft Jumi wird
Die Zusammenarbeit zwischen dem Jungbauern Jürg und dem Junior Käser Mike verlief schon von Beginn an so gut, dass der Entschluss zur gemeinsamen Geschäftsgründung nur der nächste logische Schritt war. Das Konzept hinter dem Namen Jumi Käse, der sich übrigens aus den beiden Anfangsbuchstaben der Gründer zusammensetzt, steht für großartigen Käse aus den Alpen, dessen Sorten allerdings ein wenig aus dem traditionellen Rahmen fallen. Mit viel Humor, Know-how und der Kreation völlig neuer Käseprodukte haben es die beiden Unternehmer geschafft, eine Marke auf die Beine zu stellen, die in ihrer Qualität erstklassig und im Angebot einmalig ist. Die Belper Knolle ist Swissness pur und immer noch der Star im Sortiment. Sie wird nach wie vor im Betrieb von Peter Gauser produziert. Jumi kreiert jedoch auch eigenen Käse mit mutigen Namen wie „Blaus Hirni“ oder „La Bouse“, was so viel heißt wie Kuhfladen. Die Kunden schätzen das humorvolle Konzept ebenso sehr wie die Produkte und verhelfen den Schweizern durch begeisterten Konsum zum weiteren Ausbau ihrer jungen Marke. In der Anfangszeit bestand die Firma aus zwei Tischen auf einem Markt in Bern. Mittlerweile gibt es drei Jumi Läden, wovon einer immer noch in der Schweiz angesiedelt ist. Die beiden anderen Käse-Hotspots haben in Wien und London ihre Pforten geöffnet.
Der Erfolg ist nicht nur Käse
Maßgeblich mitgetragen wird der Aufstieg des Unternehmens durch ein engagiertes Team, das einen großen Beitrag dazu leistet, dass die Spezialitäten von Jumi auf Weltreise gehen. Clemens Castan, ehemaliger Praktikant und Mitarbeiter der ersten Stunde, hat es in diesem Bereich zu besonderem Renommee gebracht. Durch sein Verkaufstalent kam der internationale Vertrieb von Knolle und Co. erst so richtig ins Rollen. Wie seine Kollegen Mike Glauser und Jürg Wyss war er sofort überzeugt von der Qualität der Belper Knolle und scheute auch nicht davor zurück, im Buckingham Palast anzurufen, um der Queen den Käse direkt zu verkaufen. Durchgestellt hat man ihn damals zwar nur bis in die royale Küche, doch als der verdutzte Chefkoch seine Fassung wiedererlangt hatte, versprach er, dem Jumi Stand am Londoner Borough Market einen Besuch abzustatten. Mittlerweile ist Clemens Castan Geschäftsführer der Filiale in Wien. Neben zahlreichen Käsespezialitäten können Kunden bei ihm auch den extra für die Belper Knolle entworfenen Käsehobel erstehen, der ein wenig an einen kleinen Tischtennisschläger mit Klinge erinnert. Er dient einerseits zum Zerkleinern, andererseits zum Präsentieren der Käsekugel und sorgt dafür, dass der „Schweizer Trüffel“ zwischen Risotto, Carpaccio und Nudeln trotz seiner unscheinbaren Erscheinung eine gute Figur macht. Zudem Bereichert die Belper Knolle jede Käseplatte und jedes Käse-Catering.