« Varianten eines Kräuterlikör-Klassikers »
Den Chartreuse Kräuterlikör kennt und genießt man weit über die Grenzen Frankreichs hinaus. Dabei gehört das Originalrezept bis heute zu den bestgehüteten Geheimnissen der französischen Alpen. Erfahren Sie mehr über den legendären Likör, der die aromatische Essenz aus rund 130 Kräutern und Gewürzen in sich vereint.
Kleine Geschichte der Destillation
Bereits im Altertum setzten sich die Menschen mit der Herstellung von Bier, Wein, Destillaten und Hochprozentigem auseinander. Frühe Vorläufer des Weinbrands entstanden durch Erhitzen des alkoholischen Traubensafts. Mit der Zeit wurden die Verdampfungsverfahren zur Destillation weiterentwickelt, um neben den seit jeher beliebten Getränken auch ätherische Öle, Düfte sowie Heilmittel aus Alkohol zu kredenzen.
Mittelalterliche Mönche spielten in der Geschichte der Destillation eine Schlüsselrolle. Sie konnten auf einen schier unbändigen Wissensschatz zu Heilkräutern und deren Verwendung zurückgreifen. Sie verstanden sich außerdem auf die Destillation sowie die heilende, konservierende und keimtötende Wirkung von hochprozentigem Alkohol. Genau diese Eigenschaften lagen auch der Originalrezeptur für den Chartreuse Kräuterlikör zugrunde.
Von einem Alchemisten erdacht
Seinen Namen verdankt der Likör übrigens einem Teil der Französischen Kalkalpen: In die Abgeschiedenheit der Chartreuse, wie dieser Teil der Alpen genannt wird, zogen sich im Jahr 1084 sieben Männer zurück, um dort, nördlich von Grenoble, eine Einsiedelei, also ein Kloster, zu gründen. Die Rede ist freilich von den Kartäusermönchen. Auch ihr Ordensname sowie der Name des Mutterklosters, die Große Kartause, gehen auf das umliegende Kalksteinmassiv zurück.
Es vergehen Jahrhunderte, in denen die Mönche ihre Tage in Stille, Andacht und Betriebsamkeit verbringen. Sie beten, meist jeder für sich, für das Wohl der Menschheit und leben spartanisch in Einzelzellen. Lediglich zu den Gottesdiensten um Mitternacht und am Tag kommen die Brüder zusammen. Einmal wöchentlich wandeln sie auch zu zweit auf den Wegen durch die Wälder, welche das Kloster duftend grün einfassen.
Das Jahr 1605 markiert, folgt man der offiziellen Geschichtsschreibung, die Entstehung des „Elixiers des langen Lebens“. Der Legende nach hat ein Alchemist aus rund 130 Alpenkräutern wie Melisse, Frauenminze, Ysop und Wermut das ursprüngliche Rezept für das Élixir Végétal aufgeschrieben, das die Mönche vom Marschall François-Annibal d’Estrées bei Paris ausgehändigt bekommen haben. Doch zunächst gerät die Rezeptur aufgrund der aufwendigen Herstellungsweise in Vergessenheit.
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts haucht einer der Mönche dem Geist Leben ein. Das Rezept wird in die Große Kartause geschickt, wo sich Bruder Jérôme Maubec, seines Zeichens Apotheker, mit Zutaten und Herstellung befasst. Erstmals wird das Élixir Végétal nördlich von Grenoble im Kloster erzeugt.
Bis heute soll die Zusammensetzung für das legendäre Tonikum, das unter anderem bei Verdauungsbeschwerden, Heiserkeit und Übelkeit angewandt wird, unverändert geblieben sein. Dabei lassen sich die Mönche, die in das Geheimnis des grünen oder gelben Kräuterlikörs mit seinen rund 130 Kräutern eingeweiht sind, an der Hand abzählen. Von Generation zu Generation werden die Rezeptur und die praktische Erfahrung, die zur Erzeugung nötig ist, nur an zwei bis drei Brüder weitergegeben. So ist das Élixir Végétal bis heute ein Original, dessen Nachahmung bislang noch niemandem gelungen ist.
Das große Geheimnis der Rezeptur
Emsig eilen zwei Mönche in ihren weißen Kutten durch die Große Kartause. Aus Kräutern und Gewürzen mischen sie die geheime Essenz für das legendäre Tonikum an. Sie wiegen und sortieren, bevor die pflanzlichen Zutaten am heutigen Standort Voiron mazeriert und destilliert werden. Schließlich reift das Getränk im Eichenfass zu seinem vollwürzigen Aroma heran.
Das Kräuterelixier mit einem Alkoholgehalt von etwa 70 % vol. gehört zu den ältesten Spirituosen mit Klostergeschichte und ist inzwischen auch als Chartreuse Likör mit geringerem Alkoholgehalt erhältlich. Der grüne Likör, Verte, ging im Jahr 1764 aus dem „Elixier des langen Lebens“ hervor und kommt auf „nur“ 55 % vol. Für die namensgebende grüne Farbe sind die verwendeten Botanicals verantwortlich. Der Chartreuse Gelb, auch Jaune, aus dem Jahr 1838 ist süßer und milder als sein kräftiges grünes Pendant. Er enthält mit 40 % vol. auch weniger Alkohol. Ob grüner oder gelber Likör – die Weiterentwicklungen des Originals sind als Digestifs beliebt. Sie bieten sich aber auch als Zutaten für Longdrinks und Cocktails an.
Würziger Kräuterlikör aus den französischen Alpen für die Bar
Manche Menschen genießen den gelben oder grünen Chartreuse Likör pur oder auf Eis, nach einem üppigen Mahl oder zu einem festlichen Anlass in guter Gesellschaft; andere nutzen den Chartreuse Grün oder Chartreuse Gelb als Zutat für kräftige Longdrinks oder Cocktails. An der Bar gesellen sich typischerweise Säfte oder Bitterlimonaden wie Tonic Water sowie weitere Spirituosen zum Kräuterlikör.
Die daraus gemixten Getränke hören auf ansprechende Namen wie Widow’s Kiss, Alaska sowie Last Word und lassen bereits erahnen, dass diese sie zu den stärkeren Drinks auf der Karte gehören. Ähnlich wie Black Russian werden diese Kräuterlikör-Mixgetränke häufig als Shortdrinks serviert. Als köstlich-würzige Alternative zum klassischen Gin Tonic bietet sich beispielsweise Chartreuse Tonic an:
Geben Sie dazu 4 cl Chartreuse Grün mit zwei Eiswürfeln in ein Longdrinkglas und füllen Sie es mit Tonic Water auf. Wer sich dazu noch Deko wünscht, steckt eine eingeschnittene, grüne Limettenscheibe auf den Glasrand.
Übrigens, der grüne Kräuterlikör wurde im Jahr 2007 sogar von einer Jury der Fachzeitschrift „Mixology“ zur Spirituose des Jahres gekürt.
Bildquellen:
Beitragsbild: © barmalinir – stock.adobe.com
Alte Destillationsanlage für Chartreuse: Von Patafisik – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90752173
Gelber Chartreuse im Glas: © Brent Hofacker – stock.adobe.com
Grüner Chartreuse im Glas: © Brent Hofacker – stock.adobe.com