« Das kulinarische Herzstück einer Region »
Weich gleitet die Messerklinge durch den geschmeidigen Käselaib und offenbart das hellgelb leuchtende Innenleben. Von der dunklen Rinde gut geschützt, präsentiert sich der gereifte Bergkäselaib nun auch den anderen Sinnen. Mild-pikanter Geschmack und ein nussiger Geruch erfüllen Nase und Mund bei jedem Bissen, das würzige Aroma steht für sich allein und kommt gänzlich ohne Zuspeisen aus. Und mit einem Mal wird klar, warum der Bergkäse in Südtirol den Status eines kulinarischen Nationalsymbols genießt.
Alpine Aromen für ein unvergleichliches Geschmackserlebnis
Was der Fisch für die Nordseeregion oder die Tulpen für die Niederlande sind, das ist die Käseproduktion für die Alpen. In der regionalen Feinkost der Alpenländer gelten Bergkäse und vor allem der Almkäse als herausragende Spezialitäten. In Südtirol zählen die deftigen Rohmilchprodukte zu den kulinarischen Highlights und dürfen auf keinem Jausenbrett fehlen. Auch Rezeptbücher aus der Region beinhalten kapitelweise traditionelle und neue Verwendungsmöglichkeiten von Bergkäse und Alpenkäse. Kein Wunder also, dass die beliebten Spezialitäten mittlerweile geschützte Qualitätsprodukte sind, deren Herstellung genauen Vorgaben unterliegt. Beim Preis fällt der Almkäse schwerer ins Gewicht, da er erstens nur wenige Wochen im Jahr produziert werden kann und direkt vor Ort nach traditioneller Methode verkäst wird. Südtiroler Käsereien setzen auf hauseigene Rezepturen und nicht wenige arbeiten mit dem renommierten Käseaffineur Hansi Baumgartner zusammen. Unter seinen Händen werden Bergkäselaibe aus Südtirol zur exklusiven Delikatesse, die es so nur in diesem Teil der Alpen gibt.
Der feine (Höhen-)Unterschied
Bergkäse und Alpenkäse mögen sich namentlich zum Verwechseln ähnlich sein, geschmacklich gibt es zwischen diesen beiden Sorten allerdings eine große Distanz, die sich auch in Höhenmetern messen lässt. Denn während der Bergkäse seinem Namen zum Trotz meist aus Dorfkäsereien in den Tälern stammt, wird Alpkäse von Bergbauern produziert, deren Almen auf mindestens 1600 Metern über dem Meer liegen. Die Tiere, aus deren Milch der Käse gemacht wird, weiden den Sommer über auf saftigen Almwiesen, wo sie sich ihr Futter in der vielfältigen Vegetation selbst zusammensuchen und somit in den Genuss von frischen Kräutern, Gräsern und Blumen kommen, die es im Tal gar nicht gibt.
Aus der Milch wird an Ort und Stelle und nur in den rund 100 Tagen zwischen Juni und Anfang September die deftige Gebirgsspezialität hergestellt, daher ist die Verfügbarkeit von Alpenkäse naturgemäß begrenzt. Die Produktion von Bergkäselaiben ist an kein derartiges Zeitfenster gebunden und unterscheidet sich auch sonst von der alpinen Käsesorte. Zwar ist auch bei ihm Rohmilch die Basis, allerdings ist der Geschmack dieser Milch ein anderer, zum Beispiel aufgrund der Heufütterung im Winter. So entstehen Aromen, die im Almkäse nicht zu finden sind. Sein Geschmack fällt in der Regel wesentlich milder aus.
Von der Milch zum Laib
Die Herstellung von Bergkäse aus Südtirol erfordert neben einer ausgewogenen Rezeptur vor allem Liebe zum Produkt und seinen Bestandteilen, sowie ausreichend Erfahrung. Nur durch entsprechendes Knowhow kann der Käser die Milch mit der richtigen Menge an natürlichem Lab und Milchsäurekulturen versetzen. Dieses Mischverhältnis wirkt sich maßgeblich auf Geschmack und Konsistenz des Käses aus. Später wird die eingedickte Milch zum sogenannten Bruch geteilt. Dabei bestimmt der Fachmann mit einer sogenannten Käseharfe über die Körnung des Käsebruchs, also die Menge und Größe der späteren Löcher im Laib. Beim Bergkäse aus Südtirol sollten diese etwa erbsengroß und eher spärlich verteilt sein.
Unter ständigem Rühren wird der Milchbruch danach auf 52 Grad erwärmt, bis das Milcheiweiß seine finale Körnung erreicht hat. Anschließend wird die Masse unter hohem Druck in Formen gepresst, sodass die Molke austreten kann. Die so entstandenen Laibe werden dann einige Tage in Salzlake eingelegt, damit sich eine Rindenschmiere ausbildet. Während der Reifezeit, die zwischen 5 und 12 Monaten beträgt, wird der Bergkäselaib zweimal wöchentlich mit Salzwasser benetzt.
Der geschmackliche Feinschliff
Die aromatischen Raffinessen von Alpenkäse und Bergkäse können durch diverse Faktoren beeinflusst werden. Fingerspitzengefühl bei Rezeptur und Bruchbildung sind gefragt, aber auch Nachbehandlung, Reifedauer und Lagerung spielen eine wichtige Rolle. Allein damit lässt sich die geschmackliche Bandbreite der Produkte bereits in der Käserei auf ein beträchtliches Maß ausdehnen. Doch wo die Möglichkeiten der Käser enden, fängt der Affineur und Gourmetkoch Hansi Baumgartner erst an. Mit seiner Feinkost-Marke Degust hat er eine einzigartige kulinarische Institution geschaffen.
Seine Passion ist es, Käse zur optimalen Reife und besonderen geschmacklichen Einschlägen zu verhelfen. Dazu veredelt er die Laibe mit Trockenfrüchten, Gewürzen und Hochprozentigem sowie mit Schokolade, Schüttelbrot oder sogar Heu. Zudem ist der Degust-Gründer ständig auf der Suche nach alten Schätzen. Manche Südtiroler Spezialitäten sind über die Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Durch Hansi Baumgartner konnten alte Käsesorten, ursprüngliche Herstellungsmethoden und verloren geglaubte Rezepturen wieder in die Gegenwart geholt werden.
Das leckere Aroma der südtiroler Alpen
Leckeren Käse findet man Länderübergreifend im gesamten alpinen Raum. Die einzelnen Regionen bergen hier natürlich dennoch ihre besonderen Unterschiede. Bergkäse aus Südtirol ist innerhalb dieser weitgreifenden Bezeichnung zu einer Delikatesse mit geschützter Ursprungsbezeichnung aufgestiegen und stammt von der Milch bis zur Affinage zu 100 Prozent aus der Region. Ein Beispiel für so ein typisches Käse-Schmankerl aus Südtirol ist etwa der BergLagrain Käse, ein gelb leuchtender Schnittkäse mit einer bordeauxfarbenen Ummantelung mit getrockneten Lagrein-Trestern. Die mürbe Konsistenz zeugt von einem hervorragenden Reifegrad und die Degust-Veredelung mit Trockenfrüchten bringt eine fruchtige Süße in den Teig, die wunderbar mit kräftigem Rotwein harmoniert.
Ein spezieller Genuss
Eine Feinkost-Region, die schon beim Bergkäse die Nase vorne hat, legt die Messlatte natürlich auch beim Alpenkäse reichlich hoch. In dieser Königsklasse der Käseherstellung kann Südtirol mit einer großen Auswahl an unterschiedlichen Sorten aufwarten. Kleine Almwirtschaften, die teilweise auf über 2000 Metern liegen, kreieren nach althergebrachter Technik und mit viel Handarbeit deftige Köstlichkeiten. Von ihrer himmelhohen Geburtsstätte werden die hochwertigen Spezialitäten dann nach ganz Europa versendet, wo sie – einige affiniert und manche ganz pur – in den Kühlvitrinen edler Restaurants oder alpinen Feinkostläden auf Genießer warten. Zugegeben, Alpenkäse ist nichts für schwache Geschmacksnerven. Seine geschmacklichen Ausprägungen reichen von intensiv-pikant über säuerlich, harzig, bis hin zu kräftig und rezent. Milde Aromen wird man bei dieser Käseart vergeblich suchen. Doch es lohnt sich, sich auf den speziellen Genuss einzulassen, den der Alpenkäse mit sich bringt und dadurch die aromatische Vielfalt zu erkennen, die sich aus der Kombination von Käse und fruchtigem Chutney, vollmundigem Wein oder einem guten Obstbrand ergibt. Die Alpen sind mit ihren Spezialitäten so etwas wie die Schule des intensiven Geschmacks geworden. Wer dafür offen ist, wird mit kulinarischen Höhenflügen belohnt, die weit über die 2000 Meter-Marke hinausgehen.