«Dauerbrenner in der Motivwelt von Wohnen und Interieur»
Schuld war die Liebe – wie so oft. Sie war schuld daran, dass der Eisjungfrau das Herz gefror, aus Schmerz über die Untreue ihres geliebten Jägers. Sie war schuld an den heißen Tränen, die als silberglänzende Blumen auf dem Felsen zurückblieben, von dem sich die unglückliche Nymphe in den Tod stürzte. Die Liebe war schuld an der Geburt der berühmtesten Bergblume schlechthin, so sagt es die Legende. Ein Mythos, sicherlich. Doch welcher Entstehungsgrund könnte für das sagenumwobene Alpen-Edelweiß eigentlich besser sein als dieser?
Lang lebe die Königin!
Nur wenige Zentimeter ragt es aus der Erde, die silberweißen, pelzigen Blätter sind wie ein Stern geöffnet und umgeben die schlichten gelben Blüten in der Mitte. Man würde das kleine Alpenblümchen unscheinbar nennen, hätte es nicht den majestätischen Glanz geschichtsträchtiger Symbolik an sich haften. Denn das Alpen-Edelweiß ist weit mehr als ein zartes Gebirgspflänzchen. Es ist die Königin der Alpenblumen, Kultobjekt, Symbol, Exportschlager, tausendfach verwendetes Motiv, ja nahezu eine eigene Marke.
Erst relativ spät hat sich der Name Edelweiß gegen alte Bezeichnungen wie Wollblume, Sternblume oder Löwenfüßchen durchgesetzt. Etwa zeitgleich mit dem aufkommenden Alpen-Tourismus im 19. Jahrhundert erlangte das krautige Gewächs mit seinem neuen Namen Weltruhm und wurde zum Symbol für Gebirgsidylle, Liebe und Mut. Optisch schlägt es sich heute überall dort nieder, wo alpine Assoziationen geschaffen und Werte wie Tradition, Liebe zur Natur oder Nationalität sichtbar gemacht werden sollen. Kein Wunder also, dass es uns gerade in den Bereichen alpines Wohnen und Interieur immer wieder begegnet, allen voran natürlich im Landhaus- und Alpenstil, wo die Gebirgsblume zuhause ist.
Wohnen mit Edelweiß
Wenn man wollte, könnte man jeden Lebensbereich mit Edelweiß-Deko ausstatten. Denn da das Motiv zum einen beliebt, weit verbreitet und andererseits auch unbestreitbar hübsch ist, wird es in der richtigen Größe und Position für fast alle Gegenstände zur Zierde. Angefangen von Stickereien auf alpinen Kissen und Heimtextilien, über Gläser mit Gravur oder Schnitzereien auf Holzmöbeln, bis hin zum Design von Keramik und Porzellan, kann die Edelweiß-Blume in unserem Zuhause in unzähligen Varianten aufblühen. Auf farbigen Abbildungen wird das in Weiß, Grün und Gelb gehaltene Motiv oft mit Rot und Blau kombiniert und verströmt dadurch rustikalen Hüttencharme.
Sehr gut kommt diese urige Interpretation auf Tischwäsche, Geschirrtüchern und Heimtextilien wie Bettwäsche zur Geltung. Natürlich sollte die florale Deko auch zum Rest der Einrichtung passen, aber im Idealfall wird in einer solchen Umgebung ohnehin eine Affinität zur Natur spürbar sein. Wer es lieber dezent mag und die Blume der Alpen in eine modernere Wohnwelt integrieren möchte, sollte auf monochrome Grafiken oder edle Gläser mit Gravuren setzen. Durch die zarte Form und das Fehlen von bunten Akzenten wird das Edelweiß zum stilvollen Statement und zu einem eleganten Schmuck für Wohnaccessoires.
Kultur statt Kitsch
Die Verwendung der Edelweiß Blume als Motiv für alpine Lebens- und Wohnkultur kann einer Inneneinrichtung etwas geradezu Majestätisches verleihen. Oftmals wird das Symbol allerdings gemieden, aus Angst, in die Kitsch-Falle zu tappen. Zu präsent ist noch die Zeit, in der das Alpen-Edelweiß für das Geschäft mit billigen Souvenir-Artikel ausgeschlachtet und auf zahllosen Postkarten abgedruckt wurde. Erst nach der Jahrtausendwende erholte sich der Ruf des geschundenen Nationalsymbols, sodass der Blume auch wieder Platz in stilvollem Ambiente eingeräumt werden konnte. Und nicht nur für Wohnen und Interieur spielt diese Rehabilitation eine wichtige Rolle. Gerade weil es den nationalen Stolz und die kulturelle Identität der Alpenländer betrifft, ist die Würde dieses Symbols von immenser Bedeutung.
Man denke im Falle von Österreich beispielsweise an die immer noch verehrte und geliebte Kaiserin Elisabeth. Das berühmte Porträt von Franz Xaver Winterthaler zeigt Sissi mit diamantbesetzten Edelweißspangen im Haar und steht wie kein zweites Bild für die ehemals bedeutsame K+K Monarchie. Auch die Schweiz ist untrennbar mit dem Motiv verbunden. Bis heute steht das Symbol für nationale Geschichte, kulturelle Wurzeln und Qualität Made in Switzerland. Heimatfilme und Kitschromane kommen zwar nach wie vor nicht ohne das Alpen-Edelweiß aus, aber dennoch ist die Assoziation mit der hübschen Blume nicht mehr ausschließlich touristisch besetzt. Als Wahrzeichen der Berge ruft sie auch bei Einheimischen Freude und Stolz am eigenen Land hervor und führt dazu, dass man sich gerne wieder mit ihr umgibt.
Von Mythen und Märchen
Um das Markenzeichen der Alpen ranken sich zahllose Geschichten. Einige sind romantisch, viele davon abenteuerlich und die meisten schlichtweg falsch. Eine der hartnäckigsten Mythen über das Alpen-Edelweiß ist seine schwere Zugänglichkeit. Lange galt es als gefährliche Mutprobe, seiner Liebsten aus hochalpinem Gelände die seltene Bergblume mit ins Tal zu bringen und dafür – zusätzlich zum Liebesschwur der Angebeteten – auch noch den Heldenstatus zu erringen. Richtig ist, dass die Bergblume tatsächlich nur im hochalpinen Umfeld zu finden ist. Allerdings bevorzugt sie kalkhaltige Erde und damit ist ihr Vorkommen auf Almwiesen wesentlich wahrscheinlicher, als in abgelegenen Gletscherspalten oder auf schroffen Felsen.
Eine andere prominente Legende schreibt dem Blümchen Heil- und Zauberkräfte zu, die über die Behandlung von Tierbissen und Tuberkulose bis hin zur Geisteraustreibung reichen. Auch bei dieser Geschichte ist der Wahrheitsgehalt eher dünn gesät. Abgesehen davon ist die tatsächliche Wirksamkeit der Pflanze insofern zu vernachlässigen, da sie seit langem unter Naturschutz steht und ohnehin nicht gepflückt werden darf. Eine Aussage über das Edelweiß, die aber vor allem in optischer Hinsicht wahr ist, betrifft seine Langlebigkeit. Diese Pflanze kann komplett getrocknet werden und verändert ihr Erscheinungsbild dabei kaum. Aufgrund Eigenschaften wie dieser und vermutlich auch wegen der Robustheit, die in der kleinen Blume steckt, trägt sie im Französischen den stolzen Titel „Immortelle des Alpes“ – die Unsterbliche der Alpen.
Ein honoriger Gast
Wer sich zuhause mit dem Parade-Motiv der Alpen umgibt, hat vermutlich eine gewisse Affinität zu Natur und den Bergen, und ist ein Fan von floraler Formensprache. Doch mit all seiner kulturgeschichtlichen Vergangenheit und der vielschichtigen Symbolik ist das Edelweiß weit mehr als ein hübsches Dekor für Gläser und Geschirr. Wie ein Kosmopolit, der bereits viel von der Welt gesehen und einige Wirren durchlebt hat, könnte uns die Alpenblume als Gast in unserem Zuhause von Höhen und Tiefen in ihrer langen Geschichte erzählen. Durchaus umstrittene Phasen wären wohl dabei, von der Mystifizierung zur Wunderblume, über die Stigmatisierung zum touristischen Massenprodukt, bis hin zur nationalistischen Überhöhung im Faschismus.
Doch auch auf wunderbare Episoden kann der Gletscherstern zurückblicken. Als Muse für Lyrik und Bildende Kunst wurde ihm ein immerwährendes Denkmal gesetzt und zahlreiche Institutionen und Vereine schmücken sich bewusst mit ihm als Symbol für Heimatverbundenheit und Stolz. Das Edelweiß als Bestandteil der ländlichen Motivwelt wird uns erhalten bleiben, solange es die Alpen gibt. Denn abseits ihrer Symbolik ist die Bergblume vor allem eines: Ein kleines Naturwunder, das uns Menschen bereits seit Jahrhunderten tief bewegt.
Bild: Edelweiss © by paul – stock.adobe.com